Grossloge
Die Organisation
Die „Großloge von Österreich“ (GLvÖ) ist die höchste freimaurerische Autorität in Österreich. Sie ist eine Art Dachverband der unter ihr arbeitenden Logen und gibt diesen die Werte und die organisatorischen Regeln vor; davon abgesehen sind die Logen selbständig.
Das mag alles ziemlich hierarchisch klingen, in Wahrheit ist es sehr demokratisch. Die Macht liegt letztlich nicht oben sondern unten. Die frei gewählten Mandatare der Logen fassen in Vollversammlungen alle grundsätzlichen Beschlüsse der Großloge. Und sie wählen aus ihrer Mitte einen Großmeister sowie weitere Vorstandsmitglieder der Großloge. Bei uns findet das alle drei Jahre statt.
Zu unserer Großloge gehören über 80 Logen
Zum Verband der „Großloge von Österreich“ gehören gegenwärtig 83 Logen; darunter befinden sich drei Speziallogen, die einem bestimmten Zweck gewidmet sind: die Loge „Quatuor Coronati“ zum Beispiel der freimaurerischen Forschung. Darüber hinaus beschäftigt sich mit Forschungsagenden innerhalb der Großloge auch eine logenübergreifende Freimaurerakademie.
Die Mitgliederzahlen der Logen sind sehr verschieden: Die größten zählen über siebzig Brüder, die kleinsten um die zwanzig. Zusammengerechnet gehören mehr als 3.600 Brüder zu den Logen der Großloge von Österreich: im Logendurchschnitt also nicht ganz fünfzig.
Der Sitz der Großloge befindet sich in einem historischen Gebäude in der Rauhensteingasse im Zentrum von Wien. Hier haben auch zwei Drittel der Logen ihre Heimstätte. Das dritte Drittel verteilt sich über die anderen acht Bundesländer.
Unsere Großloge orientiert sich an den englischen Regeln
Weltweit gesehen gibt es in der Freimaurerei zwei grundsätzliche Richtungen: Die mehr spirituell-selbsterzieherische Freimaurerei englischer Prägung und die auch gesellschaftspolitisch engagierte Freimaurerei der französischen Richtung.
Die „Großloge von Österreich“ schloss sich der englischen Richtung an. Schon 1952 wurde sie von der dafür international beispielgebenden „United Grand Lodge of England“ als reguläre Freimaurerei anerkannt. Regulär heißt: gemäß den englischen Regeln.
Damit gehört unsere Großloge international zur großen Mehrheit. Unter anderem heißt das: Sie gibt keine Stellungnahmen zu öffentlichen Streitfragen ab und mischt sich nicht in den politischen Betrieb ein. Und sie vertritt den Standpunkt, dass die humanen Anliegen der Freimaurerei weniger über die Organisation und stattdessen mehr über die einzelnen Freimaurer in die Welt hineinwirken sollen.
Die wechselvolle Geschichte
Die Geschichte unserer Großloge ist wechselvoll, wurde doch in Österreich die Freimaurerei seit ihrer Entstehung im 18. Jahrhundert gleich zweimal verboten: zuerst mehr als ein Jahrhundert lang von der habsburgischen Reaktion und dann noch einmal sieben kurze aber vieles zerstörende Jahre unter den Nationalsozialisten.
Bei den Habsburgern war das Hauptmotiv wohl deren enge Verbindung mit dem früher auch politisch sehr mächtigen Katholizismus, der bis ins 20. Jahrhundert hinein gegen die Logen war: zum einen weil er sie nicht kontrollieren konnte, und zum anderen – das wurde im 19. Jahrhundert wichtiger – weil die romanische Freimaurerei mehr und mehr zum Atheismus tendierte und die italienische außerdem gemeinsam mit anderen Gruppierungen für die staatliche Einigung Italiens und damit gegen den Kirchenstaat kämpfte.
Obwohl die österreichische Freimaurerei anders tickte, wurde sie im 19. Jahrhundert im katholischen und jetzt sehr rückwärtsgewandten Habsburger-Reich sozusagen kollateral geschädigt: Sie wurde bis zum Ende der Monarchie 1918 verboten.
Der Grund für die Freimaurer-Feindschaft der Nationalsozialisten ist einfacher zu verstehen: Totalitäre Systeme gleich welcher Art wollen alles unter Kontrolle behalten. Autonome gesellschaftliche Lebensbereiche neben sich können sie daher nicht akzeptieren, schon gar nicht, wenn sich diese wie die Freimaurer für humane Grundwerte einsetzen.
Doch seit 1945 ist auch das vorbei, und es geht kontinuierlich aufwärts.
Es folgt nun eine chronologische Schilderung der Ereignisse, dargestellt in drei Anläufen, die notwendig waren, bis die österreichische Freimaurerei ihre heutige Blüte erreichte.
Erster Anlauf: 1742 wurde erstmals eine Loge gegründet
Die Grundlagen für die erste Großloge der Welt wurde 1717 in London gelegt. Wichtige Staaten auf dem Kontinent wie Frankreich und Preußen folgten schon wenige Jahre danach.
Im Reich der Habsburger dauerte es bis 1742. Zwei Jahre zuvor hatte Erzherzogin Maria Theresia, von den Österreichern bis heute Kaiserin genannt, das Szepter über den großen Staat übernommen. Und obwohl ihr Gemahl Franz Stephan von Lothringen, der 1745 als Franz I. römisch-deutscher Kaiser wurde, 1731 noch als unverheirateter Prinz in Holland von den Freimaurern aufgenommen worden war, blieb die Herrscherin skeptisch: Forscher nehmen an, nicht nur wegen ihres katholischen Glaubens, sondern vor allem auch weil ihr Gegner, der Preußenkönig Friedrich der Große, der ihr Schlesien abgenommen hatte, ein sehr engagierter Freimaurer war. Und so ließ sie die 1742 in Wien gegründete Loge „Aux Trois Canons“ ein paar Monate danach wieder auflösen und verbieten.
Die österreichischen Freimaurer hatten es anfangs also nicht leicht. Logengründungen blieben noch eine Zeit lang schwierig, doch ab der Mitte des Jahrhunderts wurde es besser. Denn auch mehrere wichtige Berater der Regentin waren Freimaurer. Kein Wunder: die Freimaurer gehörten zu den Trägern des Modernisierungsgedankens, und die Kaiserin war ja durchaus reformorientiert. Das setzte sich unter der Regentschaft von Maria Theresias Sohn Joseph II. fort, und so konnte 1784 in Wien mit einiger Verspätung die erste österreichische Großloge gegründet werden.
Die gute Zeit dauerte nur ein paar Jahre: Josephs Nachnachfolger und Neffe Franz II./I. fürchtete während der Französischen Revolution um seinen Thron und verbot ab Anfang der 1790er Jahre alles, was neuen Gedanken zugetan war, also auch die Freimaurer. Gesamtpolitisch gesehen sollte diese Stagnation letztlich über ein Jahrhundert dauern. Immer mehr rutschte das Habsburgerreich in eine Entwicklungsdefensive. Und so wurden alle diese Verbote so lang wie nur irgendwie möglich aufrechterhalten – auch das Freimaurerverbot: in der österreichischen Hälfte des 1867 in eine österreichisch-ungarische Doppelmonarchie geteilten Imperiums galt es bis zum Ersten Weltkrieg und dem Ende der Habsburgerherrschaft.
Zweiter Anlauf: 1918 in der jungen Republik Österreich.
Den österreichischen Exilfreimaurern war es nach dem Zusammenbruch des Habsburgerimperiums möglich, ihre Logen sofort in die neu gegründete demokratische Republik, die sich ein zeitgemäßes Vereinsgesetz gegeben hatte, zu verlegen und eine Großloge, die „Großloge von Wien“, einzurichten. Diese prosperierte von Anfang an. In wenigen Jahren gehörten zu ihr 24 Logen mit fast zweitausend Mitgliedern.
Erstaunlicherweise und für diktatorische Systeme ungewöhnlich sprach das 1934 an die Macht gekommene austrofaschistische Regime kein neuerliches Verbot aus. Allerdings mussten Beamte und andere Brüder, die in staatsnahen Bereichen arbeiteten, ihre Mitgliedschaft offenlegen, weshalb viele austraten.
1938 befahl Hitler den Einmarsch seines Militärs nach Österreich und dann den Anschluss des Landes an Nazi-Deutschland. Für die Freimaurer bedeutete das: alles war wieder zu Ende. Ihre Vorstellungen von Freiheit, Humanität und Toleranz passten absolut nicht zur totalitären und rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten.
Gleichzeitig mit dem militärischen Einmarsch flogen aus Berlin spezielle SS-Kommandos ein mit dem Auftrag, politische Gegner zu deportieren und alle den Nationalsozialisten missliebigen Vereine aufzulösen. Dazu gehörten auch die Freimaurer. Ihre führenden Personen wurden verhört, einige verhaftet, der schwerkranke Großmeister Richard Schlesinger – er hatte die Großloge seit 1919 geführt – kam in der Haft um. Von den mehr als 800 Freimaurern, die es in Österreich nach den durch das austrofaschistische Regime veranlassten Austritten noch gab, mussten nun viele ins Ausland flüchten, vor allem wenn sie jüdisch waren. Mehr als hundert wurden bis 1945 in Konzentrationslagern ermordet.
Dritter Anlauf: 1945 am Beginn der Zweiten Republik.
Wenige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs sammelten sich im halbzerstörten Wien und unabhängig davon auch in Kärnten die wenigen überlebenden Freimaurer zum dritten Anlauf. Erste Logen wurden gegründet, und bald konnte die 1938 von den Nationalsozialisten ausgeschaltete Großloge wieder etabliert werden. Dies alles unter den besonders schweren Bedingungen der ersten Nachkriegsjahre.
Österreich war damals in vier Besatzungszonen aufgeteilt, es gab zu wenig zu Essen, und es herrschte sehr große Wohnungsnot. Damit die freimaurerischen Arbeiten, wie die rituellen Zusammenkünfte der Logen genannt werden, überhaupt stattfinden konnten, musste zum Beispiel in den ersten Nachkriegsjahren jeder Bruder Heizmaterial, Fett- und Brotmarken mitbringen, und manche Treffen konnten mangels Heizmaterial gar nicht stattfinden. Amerikanische Logen schickten ihren österreichischen Brüdern Pakete mit Kleidung und Schuhen.
Doch wie das Land selbst, erholte sich nun ganz langsam auch die österreichische Freimaurerei. Fast jedes Jahr konnte wieder eine neue Loge gegründet werden: anfangs besonders in Wien, nach und nach auch in allen anderen acht Bundesländern. Ein gutes Jahr reihte sich bald an das andere. 1952 wurde die „Großloge von Österreich“ schließlich von der „United Grand Lodge of England“ wieder als regulär anerkannt.
Zum Jahreswechsel 1985/86 konnte die Großloge gemeinsam mit den Wiener Logen in ihr neu erworbenes Gebäude in der Wiener Rauhensteingasse übersiedeln. 2017 beging sie gleichzeitig mit der „United Grand Lodge of England“ sowie allen anderen regulären Großlogen der Welt das Jubiläum „300 Jahre moderne Freimaurerei“. Und 2018, schon ein Jahr danach, konnte die „Großloge von Österreich“ ihren eigenen 100. Geburtstag feiern: beide Male im Festsaal der Wiener Hofburg mit großen rituellen Veranstaltungen, an denen jeweils weit mehr als 1.000 Brüder aus ganz Österreich teilnahmen.
Berühmte österreichische Freimaurer
Für den einzelnen Freimaurer ist es streng genommen nicht von großer Bedeutung, welche bis heute berühmten oder bekannten Menschen zu seinen brüderlichen Vorfahren zählen. Da wir jedoch wissen, dass dies viele Menschen interessiert, nennen wir hier alphabetisch geordnet einige Namen aus der älteren und der jüngeren österreichischen Freimaurergeschichte. Es ist dies eine Auswahl, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann.
1742 BIS 1870
• Ignaz von Born (1742-1791): Intellektueller und Naturforscher; Stuhlmeister der berühmten Loge „Zur wahren Eintracht“.
• Franz Stephan von Lothringen (1708-1765): Als Franz I. Kaiser des römisch-deutschen Reichs und Gemahl Maria Theresias. Er war noch als Prinz im holländischen Haag von englischen Freimaurern in eine Loge aufgenommen worden, in Wien dann aber kaum aktiv.
• Josef Haydn (1732-1809): Der berühmte Komponist wurde 1785 in die renommierte Wiener Loge „Zur wahren Eintracht“ aufgenommen.
• Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791): Mitglied der Wiener Loge „Zur Wohltätigkeit“. Er komponierte viel freimaurerische Musik (u.a. „Gesellenreise“, „Die Maurerfreunde“, „Maurerische Trauermusik“, „Eine kleine Freimaurer-Kantate“, „Zum Schluss der Loge“); auch die Oper „Die Zauberflöte“ gilt als Freimaureroper. Bald nach dem Sohn wurden auch der Vater Leopold Mozart und später auch der Sohn Franz Xaver Wolfgang aufgenommen.
• Emanuel Schikaneder (1751-1812): Schauspieler und Theaterdirektor; er schrieb das Libretto für die „Zauberflöte“.
• Angelo Soliman (ca. 1721-1796): zuerst schwarzafrikanischer Sklave, später in Wien eine angesehene Persönlichkeit und Freimaurer.
• Joseph von Sonnenfels (1733-1817): Reformer und Universalgeist; er erreichte noch unter Maria Theresia, dass die Folter abgeschafft wurde.
• Mitte des 19. Jahrhunderts: Franz Liszt (1811-1886). Der aus dem Burgenland stammende Komponist und Pianist war ab 1841 Mitglied mehrerer Logen in Deutschland; in Österreich war die Freimaurerei in jener Zeit verboten.
1871 BIS 1918: WIENER LOGEN IN UNGARN („GRENZLOGEN“)
• Alfred Adler (1870-1937): Arzt, anfangs Psychoanalytiker im Umfeld Sigmund Freuds, ab 1910 Begründer der Individualpsychologie.
• Hermann Bahr (1863-1934): Dramatiker, Schriftsteller, Kritiker (u.a. „Neues Wiener Tablatt“)
• Alfred Hermann Fried (1864-1921): pazifistischer Schriftsteller; Friedensnobelpreis 1911.
• Heinrich Glücksmann (1863-1943): Autor, Dramaturg (Deutsches Volkstheater), Journalist (u.a. „Der Zirkel“, „Wiener Freimaurer-Zeitung“).
• Carl Millöcker (1842-1899): Operettenkomponist (z.B. „Der Bettelstudent“).
• Alexander von Zemlinsky (1871-1942): Komponist, Dirigent, Theaterdirektor; Lehrer von Arnold Schönberg.
• Carl Michael Ziehrer (1843-1922): Komponist (23 Operetten und 600 Tänze).
1918 BIS 1938: ERSTE REPUBLIK
• Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi (1894-1972): ein früher Paneuropäer.
• Fritz Grünbaum (1880-1941; gestorben im KZ Dachau): Kabarettist, Autor von Operetten und Schlagern.
• Ferdinand Hanusch (1866-1923): sozialdemokratischer Sozialpolitiker in Wien.
• Felix Salten (1869-1945): österreichisch-ungarischer Schriftsteller; weltbekannt durch seine Tiergeschichte „Bambi“.
• Leo Slezak (1863-1946): international gefeierter Opernsänger (als „Heldentenor“) und Schauspieler (viele Filme).
• Julius Tandler (1869-1936): Arzt und sozialdemokratischer Sozialpolitiker in Wien.
SEIT 1945: ZWEITE REPUBLIK
• Wolfgang Bauer (1941-2005): bedeutender Dichter (Dramen, Lyrik, Kurzprosa), auf einer Ebene mit Thomas Bernhard oder Peter Handke.
• Karlheinz Böhm (1928-2014): Schauspieler und Entwicklungshelfer (Äthiopien).
• Milo Dor (1923-2005): österreichischer Autor serbischer Herkunft, Übersetzer, Mitglied der (Dichter-)Gruppe 47.
• Gottfried von Einem (1918-1996): Komponist, vor allem Opern (z.B. „Der Besuch der alten Dame“ nach einem Stück von Dürrenmatt).
• Alexander Giese (1921-2016): Wissenschafts- und Kulturjournalist und Schriftsteller (Romane und Freimaurer-Sachbücher). 1975 bis 1987 Großmeister der Großloge.
• Otto Grünmandl (1924-2000): Kabarettist und Volksschauspieler aus Tirol.
• Rudolf Hausner (1914-1995): Maler und bedeutender Vertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus.
• Georg Kreisler (1922-2011): Komponist, Sänger, Dichter und Kabarettist; Meister des schwarzen Humors. Seit 1943 US-Bürger.
• Jörg Mauthe (1924-1986): Journalist, Schriftsteller und als Stadtrat der Volkspartei Kulturpolitiker in Wien.
• Fritz Muliar (1919-2009): Schauspieler aus Wien; viele Filme.
• Hugo Portisch (1927-2021): bedeutender Print- und TV-Journalist; Gestalter vielgesehener Fernsehreihen über die Geschichte Österreichs ab 1918.
• Fred Sinowatz (1929-2008): Sozialdemokrat, Bildungsminister und dann österreichischer Bundeskanzler.
• Erich Sokol (1933-2003): Grafiker, Illustrator, Karikaturist (u.a. ORF, Kronenzeitung, Playboy).
• Friedrich Torberg (1908-1979): Schriftsteller (u.a. „Tante Jolesch“) und Übersetzer Ephraim Kishons.
• Hugo Wiener (1904-1993): Kabarettist, Komponist, Autor, Pianist.
• Helmut Zilk (1927-2008): TV-Journalist, Sozialdemokrat, Unterrichtsminister und später Bürgermeister von Wien (1984-1994).
Die Aufzählung dieser Namen widerspricht nicht dem Diskretionsgebot, nach dem jeder Freimaurer seine Mitgliedschaft nur selbst offenlegen darf. Diese Regel gilt für verstorbene Mitglieder nicht.